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 Am Rande der Nacht, 2 Cassetten
Lampe, Friedo
Am Rande der Nacht, 2 CDs

110 Min.
2001 SR, radio bremen Cass

ISBN / Best.Nr.:
3-934120-53-9

 



Die Regisseurin Christiane Ohaus hat Lampes Short Cuts aus ihren Buchdeckeln befreit und ihnen ein neues Zuhause gegeben. (FAZ)

Ein Strömen von Bildern und Szenen, viele Gestalten: Kinder, alte und junge Menschen, Männer und Frauen, Bürger, Artisten, Studenten und Seeleute. Es geschehen Dinge, wie der Tag sie bringt, häßliche und rührende, aufregende und leise. Sie geschehen vor dem Hintergrund und in der Atmosphäre einer schweren Sommernacht in der Hafengegend einer Großstadt.


"Friedo Lampe schrieb dichterische Prosa, Sätze voller Schwermut, zart und kräftig zugleich in Geschichten, die vom ersten Wort an die Spannung des Unheimlichen hatten, auch wenn sich Unheimliches in ihnen gar nicht ereignete. Sie waren bürgerliche Welt, diese Geschichten, aber auf magische Weise durchschaute bürgerliche Welt (...). Es ist kein umfangreiches, aber ein wichtiges, vollendetes, nobles, noch unausgeschöpftes Oeuvre, voll von Lesefreuden, ein Lehrbuch für junge Schriftsteller, und ich glaube, es zählt zum Bleibenden der deutschen Literatur." (Wolfgang Koeppen) 1899 wurde Moritz Christian Friedrich Lampe in Bremen geboren. Nach Militärdienst und Kriegsreifeprüfung studierte er, aufgrund von Knochentuberkulose gehbehindert, Literaturwissenschaft und später Kunstgeschichte und Philosophie in Heidelberg, München und Freiburg. Er promovierte über die "Lieder zweier Liebenden" von Goeckingk. Zurück in Bremen wurde er zunächst Volontär, 1931 Redakteur und Mitherausgeber von Schünemanns Monatsheften. Er verfasste Kunstkritiken für die "Weser-Zeitung" und die "Bremer Nachrichten". 1931 absolvierte er eine Ausbildung zum Volksbibliothekar. Er wurde für die Hamburger Öffentlichen Bücherhallen tätig, arbeitete für verschiedene Verlage als Lektor, schrieb Erzählungen und Romane. Sein erster Roman "Am Rande der Nacht" wurde 1933 beschlagnahmt. Sechs Tage vor der Kapitulation, am 2.5.1945, wurde er von Soldaten der Roten Armee, die ihn für einen SS-Mann hielten, erschossen.

Die große Welt der kleinen Leute

Faszinierendes Beispiel des Expressionismus

Von Manfred Loimeier (Copyright)

Friedo Lampe lautet der Name eines Autors, dessen Werk durch den Nationalsozialismus in Vergessenheit gedrängt wurde, und dessen Leben auf geradezu absurde Weise während des Hitler-Regimes ein Ende fand. Der 1899 in Bremen geborene Redakteur, Lektor und Kunstkritiker Lampe, der in Heidelberg und Freiburg Literaturwissenschaft, Philosophie und Kunstgeschichte studiert hatte und das Ende des Nazi-Terrors herbeisehnte, geriet sechs Tage vor Kriegsende in eine Passkontrolle und wurde, weil er auf Grund seiner abgemagerten Statur keine Ähnlichkeit mehr mit seinem Passbild hatte, als potenzieller SS-Mann erschossen.

Lampe erster Roman "Am Rande der Nacht" erschien 1933 und wurde bereits wenige Wochen später von den Nationalsozialisten verboten. Vor zwei Jahren kam dieses Buch endlich wieder einmal in vollständiger Fassung heraus, und dieser Ausgabe im Wallstein Verlag Göttingen liegt dieses Hörbuch zugrunde, das ebenso fantastisch gesprochen, wie der Roman verfasst ist. Lampe schildert in einem Zeitraum von vier Stunden die Sorgen und Bedenken diverser Passanten und Passagiere, die im Hafenviertel Bremens ihren Abend verbringen. Eine Hauptfigur gibt es nicht, stattdessen formen alle Protagonisten zugleich einen vielstimmigen Chor, der das Leben der kleinen Leute jener Zeit besingt.

Hermann Lause, Ferdinand Dux, Dietmar Mues, Burghart Klaußner, Stefan Merki, Wolf Dietrich Sprenger und Rolf Zacher geben diesen Menschen eine Stimme: einem jungen Mann, der sein erstes Liebesabenteuer sucht; einem Ringer, der sich seines Alters und seines Begehrens eines jungen Männerkörpers bewusst wird; einem Flötenspieler und seiner über den Tod sinnenden Vermieterin; einem Matrose, der unter einem tyrannischen Kapitän leidet. Über dem Ganzen liegt eine neblige, dunstige Atmosphäre, eine düstere Schwüle, die irgendwo zwischen Hanns Henny Jahnn und Alfred Döblin liegt, zwischen Großstadtdschungel und einer expressionistisch-psychedelischen Innenschau.

Christiane Ohaus hat diese Hörproduktion inszeniert und ein berauschendes Klangerlebnis geschaffen, das die Atmosphäre dieses Textes nicht nur hörbar macht, sondern auch visualisiert: Man spürt den Schweiß des Ringers, riecht den Atem seines Kontrahenten, wähnt sich am Kai im Bremer Hafen und glaubt, die feucht-kalte Nachtluft einzuatmen, in der die Figuren dieses Nachtstücks auf- und wieder untertauchen.

Friedo Lampe: Am Rande der Nacht. Eine CD, zirka 110 Minuten, Hörbuch Hamburg (ISBN 3-934120-53-9)