Es sprechen: Wolf Dietrich Sprenger,
Jean Babtiste Filleau, Ton und Technik: Peter
Nielsen, Margitta Düver Dramaturgie: Rüdiger Kremer Produktion: Radio Bremen 1997/98
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Die
Verbindung der Elemente Text und Musik
entsteht auf der Ebene des Fragens: Befragung der Wörter,
Befragung des Klanges der Stimme, Befragung des Raums, Befragung dessen,
was unsagbar ist. Unsagbar ist für Edmond Jabès das, was die Wörter
verschweigen, die vielen Verbindungen zu anderen Wörtern, die abwesend
sind, trotzdem jedoch zum Wort gehören. "Mein Name ist eine Frage,
und meine Freiheit liegt in meiner Neigung zum Fragen." Von Nom,
franz. Name, gelangen wir zu Nomade, der durch die "Monde"
wandert, dessen Wesen am Ende die Demande (Frage) ist. Wie ein Hypertext
lassen sich die Schriften von Jabès lesen, dabei gibt es Links von fast
jedem Wort zu fast jedem anderen Wort. "Es genügt ein einziger
Buchstabe, damit zwei Wörter aufhören, nichts von einander zu
wissen." Die Sprache ist ein grenzenloses Netz von Fragen und in
diesem Netz bilden sich durch Befragung nomadische Identitäten als
Spuren von Wegen durch dieses Netz. Diesen Spuren folgt Christoph Grund in seiner Musik, welche dem hörbaren Wort eigenständig gegenübersteht und zugleich mit ihm verwoben ist. Es entsteht ein Hör-Raum, in dem Sprache und Musik jeweils als Ganzheit vorhanden sind, ohne daß die eine der anderen dient. Die
feinen Verästelungen von Wortbedeutungen finden ihren Widerhall in den
Tongeweben aus Stimmen und Instrumentalklängen, ohne sie zu untermalen.
Ein Lauschen wird geweckt, welches den Lauschenden zum fragenden Subjekt
werden läßt. "Die vier Horizonte der Wüste" sind konzipiert
als Insel des Lauschens. Identitäten werden dabei nicht zum Konsum
angeboten sondern entstehen durch die wache Aktivität des Hörenden.
Zusätzlich zur Hörspielfassung ist eine Internetpräsentation und CD-ROM-Version geplant, welche den Titel "Raum der Fragen" trägt. Hier kann der Hörer seinen ganz persönlichen Weg durch einen Text-Musik-Raum finden und seine eigenen Identitätsspuren hinterlassen. |
In
Kairo geboren, besaß Jabès die italienische Staatsangehörigkeit,
wurde französisch erzogen und arbeitete in seiner Geburtsstadt als Börsenmakler,
bis er Nassers Ägypten 1957 wegen seiner jüdischen Herkunft verlassen
mußte. Seine Heimat sah er schon damals nur in der Sprache begründet,
heißt doch die Sammlung seiner frühen Gedichte „Ich baue mir eine
Bleibe“. Was er der Titel bezeichnet, verwirklicht das Buch. Darum nimmt
es nicht wunder, daß der Exodus Jabès nicht nach Jerusalem, sondern
nach Paris führte. Kaum im Land seiner Sprache angekommen, fiel ihm die
Parole „Tode den Juden“ ins Auge, eine Schmiererei auf einer Mauer
mitten im Quartier Latin: Das Trauma, ausgestoßen und unerwünscht zu
sein markiert einen entscheidenden Einschnitt im Werk und die Hinwendung
zu einem Judentum, dem Rechtgläubigkeit und Gottvertrauen fremd sind.
Von Zweifeln zernagt, wird es zur bloßen Chiffre für die Abwesenheit
Gottes, denn in den Augen von Jabès hat Gott die deutschen
Vernichtungslager ebensowenig überlebt wie die sechs Millionen
ermordeten Juden: „Also wurde
mein Judesein, als Gott tot war, bestätigt im Buch, an dem
vorherbestimmten Ort, wo es unversehens auf dessen Gesicht gestoßen
war, das trostloseste, das untröstlichste Gesicht des Menschen: denn
Jude sein heißt ins Wort emigrieren und, zugleich, die Emigration
beklagen.“ ... (Max Grosse
in der FAZ vom 14.11.1989) |